Kununu und Denunziantentum

Bewertungsportale gewinnen an Zulauf – was tun bei schlechten Bewertungen?Bewertungsplattformen gibt es wie Sand am Meer. Hotels, Restaurants, Ärzte… kaum eine Branche bleibt davon ausgenommen. Somit ist es mehr als logisch, dass es auch Plattformen gibt in denen Arbeitnehmer und Bewerber die Arbeitgeber bewerten. Die bekannteste Plattform in Deutschland ist hierbei Kununu. Weitere Plattformen sind Jobvoting, Glassdoor, Bizzwatch, Jobvote, Companize etc, und andere. Wichtig ist, dass diese Plattformen von den Arbeitgebern beachtet und beobachtet werden müssen.

Der Kununu-Newsletter vom 30. Mai 2018 titelt:

„Es reicht, 10 gute Gründe, um sofort zu kündigen“.

Im weiteren Verlauf werden drei Unternehmen konkret mit Ihrer Bewertung und den Kommentaren genannt (je eines aus Deutschland, Österreich und der Schweiz) und an den digitalen Pranger gestellt. (Anmerkung: gerne leite ich interessierten Kollegen/innen diesen Newsletter weiter)

Ist Kununu repräsentativ und sind nur Kritiker dabei?

Als großer Kritikpunkt wird hier immer wieder genannt, die Plattformen seien nicht repräsentativ und nur diejenigen, die sich rächen möchten, tragen sich ein. Im sonnigen Süden gibt es den Spruch „Nix gsagt, isch gnug globt“ (für die Nordlichter: nichts dazu gesagt ist genug an Lob).

Ja, diese Argumente stimmen! Über 2.632.952 Bewertungen bei Kununu (Stand Juni 2018) zu rund 697.303 Unternehmen, bzw. je Unternehmen lediglich 3,78 (!) Bewertungen ist alles andere als repräsentativ (hierbei sind auch Unternehmen mehrfach drin und große mit einer vierstelligen Anzahl an Bewertungen vertreten).

Auch die Rächer gibt es (genauso wie die Fake-Eintragungen, die die Bestnoten von 5,0 vergeben ohne hierbei weitere Angaben zu machen) und nicht jeder der zufrieden ist, wird dies bei Kununu zum Ausdruck bringen, genauso wie viele Unzufriedene, die dann einfach das Unternehmen verlassen oder resignieren.

Aber: Wer sich von den Bewerbern die Mühe macht, alle Bewertungen anzusehen, die Bewertungen hinsichtlich Rache und Fake differenziert betrachtet, bekommt (wenn ein paar qualifizierte Bewertungen vorliegen) ein gutes und klares Bild vom Innenleben des Arbeitgebers (welches er im Vorstellungsgespräch abgleichen kann).

Wir betrachten in den HR-Projekten immer auch die Employerbranding-Werte und stellen fest, dass in den allermeisten Fällen die Kununu oder Glassdoor-Bewertung mit den Erkenntnissen aus der Istanalyse korrelieren. Dies traf bei den letzten rund 20 Projekten (bei denen mehr als 2 Bewertungen vorlagen) immer (!) zu. Trotz fehlender Repräsentativität, da bei keinem unserer Kunden mehr als 3 % der Belegschaft eine Bewertung abgegeben hat.

Auch vielsagend ist bei Kununu somit nicht nur der Gesamtscore, sondern die in Text gefassten Ausführungen und nicht zuletzt die Quote „Weiterempfehlungen“, dahinter steckt ein

Ein Beispiel aus einem Projekt mit mehreren Standorten mit einer detaillierten Auswertung und Vergleich zu Verweildauer/Fluktuation kann ich gerne nachreichen. Kommt bitte auf mich zu.

Warum kommen schlechte Bewertungen:

Sicher ist darunter der eine oder andere Denunziant und Heckenschütze, aber sicher nicht alle! Es lohnt schon, hier einmal genauer hinzusehen. Vielleicht liegt es daran, dass es keine oder eine schlechte Diskussionskultur im Unternehmen gibt, die Geschäftsleitung abgehoben und zu weit weg von der Basis ist, oder auch Themen in der Vergangenheit vergeblich angesprochen wurden, bzw. die Geschäftsleitung keine Kritik zulässt. Vielleicht gibt es auch keinen Betriebsrat, der hier das Vertrauen bei dem Einzelnen genießt und auf diese Weise das Problem platziert werden könnte.

Damit stellt sich schon die Frage für den Arbeitnehmer, wie kann ein Problem angesprochen werden, ohne gleich ins Fadenkreuz zu geraten (Wie geht man intern mit Fehlern, Kritik etc. um?). Es ist eine wichtige Aufgabe der Unternehmensführung, hier Plattformen zu schaffen, auf der man Kritik äußern kann und klare Regeln wie mit dieser Kritik umgegangen wird (kein leichter Prozess!). Unternehmen, die Kritik als Chance sehen, sind in aller Regel erfolgreicher, weil Umgang mit Kritik, offene Zusammenarbeit, ein gutes Miteinander etc. zusammen einher geht. Wenig überraschend ist, dass diese Unternehmen erfolgreicher sind.

Ein starker Betriebsrat, Vertrauensmann/frau, Ombutsmann/frau, etc. kann hier sicher hilfreich sein. So ist es mittlerweile bewährte Praxis in der Zeitarbeit, eine (externen) Ombutsmann einzusetzen, der Fragen/Problemstellungen, von der Lohnabrechnung bis hin zu Schwierigkeiten am Arbeitsplatz bei einer Vertrauensperson sicher (zum Teil auch anonym) zu platzieren. Als nächstes muss die Kritik bzw. das Thema natürlich angegangen werden. Diejenigen, die sich an diese Stellen wenden, haben den Anspruch (und das Anrecht), dass ihre Anliegen auch bearbeitet werden.

Was tun bei schlechter Bewertung?

Man kann es sich leicht machen und schlechte Bewertungen als Denunziantentum abtun und ignorieren, ggf. weitere Fake-Bewertungen eintragen, um so die Gesamtnote hoch zu halten, aber das ist wie in der Notaufnahme, bei der ein blutender Patient eingeliefert wird und die blutende Wunde nur mit einem Pflaster zugeklebt wird.

Kununu-Bewertungen – vor allem schlechte – sind daher zunächst als Verwarnung zu sehen, aber vor allem auch eine riesige Chance! Auf diese Weise kommt die Herausforderung ans Tageslicht und wird erstmals benannt. Und hieraus eröffnet sich die Chance, sofern dies richtig eingetaktet wird, mit den kritischen Arbeitnehmern in Dialog zu treten, sofern die Rahmenbedingungen hierfür stimmen und sich diese dann auch aus der Deckung wagen (können). Darauf aufbauend können Kritikpunkte betrachtet, erklärt und ggf. entschärft werden. Bei richtiger Handhabung kann und wird hieraus eine Dialogkultur mit positiven Auswirkungen auf das Unternehmen entstehen.

Immer wieder taucht „Kultur“ auf. Unternehmenskultur ist das zentrale Thema und der Wettbewerbsvorteil schlechthin in Zeiten der Vollbeschäftigung und Digitalisierung.

Übrigens schlechte Bewertungen können auch nachträglich durch den Bewerter verbessert werden und darin liegt die eigentliche Chance. Voraussetzung ist jedoch eine offene und faire Auseinandersetzung mit den Herausforderungen… auch wieder eine Kulturfrage.